284 Jahre nach der zu dem Zeitpunkt als wahrscheinlich angenommenen Uraufführung der "Passio secundum Joannem", der Leidensgeschichte Jesu nach dem Bericht des Evangelisten Johannes, am 7. April 1724 in der Nikolaikirche zu Leipzig, fanden der Dekanats-Chor Kronach, der Konzertchor Coburg und die Vogtland Philharmonie zusammen, um im Kreiskulturraum in Kronach dem gespannten Publikum den Genuss der Johannes-Passion zu geben. Beflügelnder Klangteppich "...hervorragend von Anfang bis Ende stets auf den Punkt genau verkörpert und rein intoniert vom Tenor Johannes Puchleitner. Dem 1973 in Kitzbühel geborenen ehemaligen Chorknaben in Salzburg merkte man seine Konzentration auf das Wesentliche, sein die Zuhörer, die Musiker und das Werk an sich ehrende Bestreben an, das Beste an Ausdruck und Verständnis aus jedem Wort herauszuholen. Welch eine Freude, ihm zuzuhören!" Von Claudia Hummel (Neue Presse Coburg, 25. März 2008)
Kreiskulturraum Kronach - Johann Sebastian Bachs (1685-1750) Oratorium präsentierte das Evangelische Dekanat Kronach. Die recht souveräne und markante musikalische Gesamtleitung des ausladenden Werkes hatte Dekanatskantor Marius Popp. (...) Der Chor begann verhalten, getragen und ein wenig zu zaghaft. Marius Popp spannte den Bogen gehörig. Immer wieder und wieder pries der Chor gemeinschaftlich: "Herr unser Herrscher, dessen Ruhm in allen Landen herrlich ist!" - Solange, bis wohl auch der letzte Zuhörer im voll besetzten Saale in sich gegangen sein mag. Die Handlung in der Johannes-Passion wird aus vier verschiedenen Perspektiven vorgetragen. Die aufwendig angelegten Eingangs- und Schlusschöre verkörpern die ermahnende Perspektive. Die erzählende Perspektive übernehmen die Rezitative, ein dem Sprechen angenäherter Gesang der handelnden Personen, hervorragend von Anfang bis Ende stets auf den Punkt genau verkörpert und rein intoniert vom Tenor Johannes Puchleitner. Dem 1973 in Kitzbühel geborenen ehemaligen Chorknaben in Salzburg merkte man seine Konzentration auf das Wesentliche, sein die Zuhörer, die Musiker und das Werk an sich ehrende Bestreben an, das Beste an Ausdruck und Verständnis aus jedem Wort herauszuholen. Welch eine Freude, ihm zuzuhören!- In der Barockmusik war das Rezitativ der Ort für erzählerische und dialogische Elemente. Dazu gesellen sich dramatische Chor-Partien, bezeichnet als "Turbae", die eine erzählerische Funktion innehaben. Turbae stellen Menschengruppen dar, die am Geschehen unmittelbar beteiligt sind; hier auf die Frage Jesu (feierlich: Bariton Walter Klose): "Wen suchet ihr?" - ein promptes und klares und fast, wenn man es nicht besser wüsste, in heiterer Tonfolge "Jesum von Nazareth" - im Gegensatz zu den Chören, welche die Handlung reflektieren oder kommentieren. Alsbald folgte die Andachtsperspektive der Gemeinde in Form eines Kirchenliedes, ein ach so melancholischer Choral. Gleich riss die klare, helle Stimme des Zeugen, also des Evangelisten (Puchleitner) einen aus den Gedanken, die der Choral weckte. Gleich stimmte die feierlich - traurige, väterlich und beschwichtigend anmutende, Stimme des Jesus (Klose, ehemals Regensburger Domspatz und Leiter der Berufsfachschule für Musik in Kronach) ein, bevor der Chor sich beim "Dein Will´ gescheh" einig und entschlossen war. Die erste Arie sang die Lied- und Oratoriensängerin Elke Burkert, Alt. "Von den Stricken meiner Sünden mich zu entbinden, wird mein Heil gebunden." Zu wenig deutlich kam die samtige Stimme zum Tragen, zu deutlich drängte sich das Orchester ins Wahrnehmen. (...) Die Sopranistin Ingrid Peppel hingegen hatte damit keine Probleme. Ihre Soli waren ausdrucksstark, klar und hell und außerordentlich feinfühlig, einfach wunderschön, betont. Immer wieder einmal vernahm das Publikum den perligen, weichen Klang einer Laute, gespielt von Heiko Schmiedel. Darüber hinaus beglückte der 1. Konzertmeister, die 1. Geige, der Kammermusiker Stephan Freund durch sein virtuoses und leidenschaftliches Spiel. Xavier Duss (Oboe), Solo-Cellist Peter Manz (Continuo), Meinolf Jennebach (Flöte) und Zaruhi Stamboltsyan am Cembalo gesellten sich dazu. Im Großen und Ganzen war deutlich eine harmonische Verbundenheit zwischen Orchester, Chor und Solisten zu spüren, was wohl der Verdienst des Dekanatskantors sein dürfte. Marius Popp führte die Künstler einfühlsam und bestimmt, fühlte mit und motivierte sie durch eine kleine, leise Gestik und Mimik. Nach der Pause lief das gesamte Ensemble zur Hochform auf. Im zweiten Teil fanden sich mehr betrachtende Arien. Zum absoluten Genuss des zweiten Teils trug neben Chor, Orchester und Solokünstlern auch Klaus Schunke bei. Der Bass mimte den Pilatus. Nein, er lebte den Pilatus. Wann immer er seine sehr beeindruckende Stimme anhob, erregte er volle Aufmerksamkeit. Feierlich preisend erklang der Choral zum Schluss: "Herr Jesu Christ, erhöre mich, ich will dich preisen ewiglich!" Und alles, wirklich alles, fügte sich zusammen zu einem weichen, fließenden, weit ausladenden Klangteppich, der angesichts dieser Vielfalt im Klang betörte und beflügelte. |